Die 10 Jahreszeiten der Phänologie

Die Pflanzen, die im Vorfrühling blühen, sind besonders an Kälte angepasst. Wir reden von den Monaten Januar und Februar, in denen früher oft dicker Schnee lag. An manchen Stellen kamen die Spitzen der Schneeglöckchen durch den Schnee, weil sie beim Treiben Eigenwärme entwickeln. Wird es ungewöhnlich warm, blühen sie früher. Aber 1963 trug ich zu meiner Konfirmation am 24. März einen Schneeglöckchenstrauß.
Der erste Strauch, der nach der letzten Eiszeit das Land besiedelte, war die Haselnuss. Der Umgang mit Kälte liegt in ihren Genen.
Als letzter bedeutender Vorfrühlingsanzeiger folgt die Salweide – besser bekannt als Weidenkätzchen. In manchen Gegenden heißen sie auch Palmkätzchen.  In Eisenach gibt es die Straße „Palmental“. Das verführte einen Hotelier nach der Wende dazu, sein Hotel Palmenhotel zu nennen und Palmen in den Garten zu pflanzen. Die waren nach einem Winter allerdings erfroren. Anders als die Salweide, die ebenso wie die Haselnuss ein Erstbesiedler nach der Eiszeit war.

Winter

Stieleiche 14. 11. 20, Foto Barbara Lindemann
Stieleiche 27. 11. 20, Foto Eveline Renell

Die beiden Fotos zeigen die Toteneiche zwischen Fellingshausen und Rodheim im Abstand von 13 Tagen. Die Toteneiche ist eine der wenigen Stieleichen in unserer Umgebung. sonst überwiegen die Traubeneichen. Aber phänologische Veränderungen werden an der jahreszeitlichen Entwicklung der Stieleiche gemessen. Der phänologische Winter beginnt, sobald die Stieleiche ihre Blätter verliert. Im Foto vom 14. November sieht man eine geringe Menge Laub unter dem Baum. Damit hat der phänologische Winter um diesen Termin begonnen. Von der Färbung her würden wir wohl noch vom Herbst sprechen. Auf dem Foto vom 27. 11. ist nahezu alles Laub abgefallen. Der Eindruck vermittelt nun auch im allgemeinen Verständnis den Winter.

Der PHÄNOLOGISCHE Winteranfang lag für Fellingshausen um den 14. November.

Am 1. Dezember ist der METEOROLOGISCHE Winteranfang.

Den kürzesten Tag des Jahres, die Wintersonnenwende, bezeichnet man als KALENDARISCHEN Winteranfang. Er beginnt 2020 am 21. Dezember um 14.30 Uhr.

Die Wetterkundler unterscheiden Frost- und Eistage. Eistage sind solche, bei denen 24 Stunden lang eine Temperatur von unter 0° C herrscht. Die folgende Tabelle zeigt eine Verteilung in den letzten 38 Jahren. In Wettenberg kann man demnach bereits ab 10. Mai mit frostempfindlichen Pflanzen ins Freie und es reicht, die Dahlien nachts erst ab Anfang Oktober abzudecken.

Wer sich für das Klima interessiert, dem empfehle ich folgendes Buch:

Wolfgang Behringer ist ein Historiker und lehrt an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken. Das empfohlene Buch erschien bereits 2010. Es ist leicht zu lesen. Warum wurden die lockeren Sitten und Bekleidungsvorschriften im späten Mittelalter plötzlich so streng? Es war kälter geworden und die Menschen zogen sich wärmer an.
Warum wurde in Frankfurt ab dem 17. Jahrhundert kein Wein mehr angebaut sondern Äpfel? In dieser Zeit gab es global eine kühlere Phase mit regionalen Unterschieden. Die Bevölkerung war gewachsen. Dies und auch die Kälte führten zu Hungersnöten. Das war möglicherweise auch ein Auslöser für den 30jährigen Krieg von 1618-1648. Behringer versteht es wunderbar, solche Zusammenhänge zu denken oder zu erklären.

Der Vollherbst geht seinem Ende entgegen

Im oberen Foto sind die reifen Früchte der Stieleiche (Quercus robur, Fagaceae) zu sehen (Foto DWD)
Das rechte Foto zeigt die Früchte (grün) und Samen der Rosskastanie. Das Foto wurde am 3. Oktober hinter der Schmitte aufgenommen.

Der Vollherbst kündigt sich an durch die Fruchtreife der Stieleiche, späte Birnensorten und Weinreben werden ebenso reif und möchten geerntet werden. Zur Mitte des Vollherbstes verfärben sich die Blätter der Rosskastanien und Hängebirken, auch die europäische Lärche sorgt durch ihre Nadelverfärbung für das, was wir im Volksmund den „Goldenen Herbst“ nennen. Zum Ende des Vollherbstes beginnen bereits der Blattfall bei Rotbuche und Stieleiche und späte Apfelsorten füllen den Erntekorb.

Die Meldungen für den Beginn des Vollherbstes beim DWD reichten vom 3. August bis zum 7. Oktober 2020.

Im folgenden Foto ist die in Biebertal sehr viel häufigere Traubeneiche zu sehen. Der Name bezieht sich jeweils auf den Fruchtstand.

Traubeneiche: Kurzer Fruchtstiel, langer Blattstiel
Stieleiche: langer Fruchtstiel, kurzer Blattstiel.

Zum Ansetzen von Hagebuttenöl werden normalerweise die Früchte der Hunds- oder Heckenrose (Rosa canina, im Foto auf 9.00 Uhr zu sehen) genommen. Jetzt ist Erntezeit.

Fotos: 1. Deutscher Wetterdienst, 2.-4. Eveline Renell

Rosskastanie reife Früchte
2020 3. Oktober

Der Frühherbst : Holunder und Kornelkirsche sind reif

ausgewähltes Produkt zur Leistung: Aktuelle Phänologie

Die Grafik zeigt, dass der Holunder im Raum Gießen bereits um den 10. August reif war. allerdings war er vielerorts eher vertrocknet. Kornelkirschen gibt es in Fellingshausen in der Straße Dreispitz parallel zur Straße Die Beu. Die länglichen Früchte, die wie kleine Oliven in wunderschönem Rot aussehen, liefern etwas 75 – 120mg Vitamin C pro 100g. Man kann Marmelade, Saft, süße und salzige Suppen, Bratenbeilagen, aber auch Desserts, Liköre und Wein mit ihnen herstellen. Sie lassen sich gut trocknen.

Halbreife Früchte der Kornelkirsche (Cornus mas). Auch Blätter und Blüten sind essbar

2022 Holunderreife 10. August

Der Spätsommer ist in vollem Gange

Im Spätsommer reifen bereits zahlreiche Früchte, z.B. Klarapfel, Frühzwetschge, aber auch die Vogelbeere. Die Blüte der Herbstanemone und des Heidekrautes beginnt. Die Getreideernte ist weitgehend abgeschlossen und die zweite Heuernte findet statt.

Diese wunderschöne Herbstanemone habe ich in wenigen Fellingshäuser Gärten gesehen. Den Sortennamen konnte ich bis heute nicht herausfinden. Vielleicht ist sie ja in unserem Dorf entstanden. Alle anderen halb gefüllten Sorten sind niedriger und blühen später.

Trotz der extremen Hitze sind alle Früchte normal gereift. allerdings haben die alten Birnbäume an der Straße zwischen Fellingshausen und Bieber schon ungeheure Mengen an Früchten abgeworfen – ein Fest für die Wespen.
Als phänologische Pflanze gilt nur die echte Besenheide (Calluna vulgaris, Ericaceae). Foto links oben; die so genannte Knospenheide entstand vor ca. 30 Jahren zufällig. Ihr Vorteil: Sie behält die Farbe bis zum nächsten Frühling. Ihr Nachteil: Da die Blüten sich nicht öffnen, sondern im Knospenstadium verharren, bietet sie Insekten keine Nahrung. In der Natur würde diese neagitive Mutation bald absterben.

Hochsommer: Die Sommerlinde blüht

Das Foto zeigt die zwittrigen (männliche und weibliche Blütenteile auf einer Blüte) Blüten der Winterlinde mit Flugapparaten. Der Duft ist unverwechselbar.

Hochsommer – noch vor dem längsten Tag des Jahres. Ich habe den Hochsommerbeginn immer mit Ende Juli, Anfang August verbunden. Diese Linden in der Gießener Straße gegenüber der Post blühen seit dem 12. Juni. In Königsberg, wo es auch etliche Bäume gibt, lässt die Blüte (am 15. Juni) noch auf sich warten. Aber aus ganz Deutschland gehen Meldungen über den Blühbeginn seit der dritten Mai-Dekade beim Deutschen Wetterdienst ein.

Eine weitere Zeigerpflanze für den Hochsommer ist die Blüte des Beifuß (Achtung Allergiker! Falls Sie Fleisch essen, freuen Sie sich über das Gänsebratengewürz!), Die Gerste beginnt, gelb zu werden, die Weinreben blühen, und bei Roten Johannisbeeren, Stachelbeeren und Süßkirschen können die ersten Früchte geerntet werden.

Früher kannte man in Deutschland nur die Sommer- und die Winterlinde. Mittlerweile ist es schwierig, die Arten korrekt auseinander zu halten, da es viele Kreuzungen gibt. Die Lindenblüten ergeben getrocknet einen sehr schmackhaften Tee, der auch als schweißtreibend gilt und daher gegen Erkältungen empfohlen wird. Wegen seiner Schleimstoffe ist er besonders gut bei Reizhusten. Darin zeigt sich die Verwandtschaft zu den Malven – und wie Malvenfrüchte (Käspappel, Okra) schmecken die jungen, gerade aufbrechenden Lindenknospen.

Die Linde heißt botanisch Tilia. Daraus entstand das Wort „Textilien“, was nichts anderes heißt als „gewebte Linde“. Zur Gewinnung der Fasern wurden armdicke Lindenäste im Winter für einige Wochen in Wasser eingeweicht und anschließend die faserreiche Rinde abgezogen.

Lindenblüte
2020 12. Juni
2023

Der Frühsommer beginnt mit der Holunderblüte

Im langjährigen Mittel setzt die Holunderblüte um den 25. Mai ein. Für den Frühsommer sind die blühenden Wiesen mit ihren Gräsern sowie die einsetzende Roggenblüte wichtige Marker. In diese Zeit fällt auch die Robinienblüte und gegen Ende die Heumahd. Früher wurde auch die Blüte der Heckenrosen hinzu gezogen.
Am Dünsbergwald in Bieber blühten Holunder und Heckenrosen bereits am 15. Mai, bei uns in Bauroth erst am 18. Man müsste jetzt noch in Königsberg gucken, um zu wissen, ob der Frühsommer in ganz Biebertal eingezogen ist.


Für die Gartenpflanzen gibt es nun keine Gefahren durch Frost und Kälte mehr. Die Feuerbohnen konnten schon um den 10. Mai herum gesät werden, aber jetzt dürfen auch Busch- und Stangenbohnen in die Erde und Tomaten und Paprika gepflanzt werden. Mit Gurken, Zucchini, Melonen und Kürbissen wartet man normalerweise bis Ende Mai.

2020 Holunderblüte 18. Mai
2023

Mehr zu Holunder siehe unter https://natur.biebertaler-bilderbogen.de/holunder-in-natur-und-garten/

Vollfrühling: Beginn der Apfelblüte

Beim Spaziergang am 13. April am Nordhang von Vetzberg bemerkten wir die ersten geöffneten Apfelblüten. Vermutlich handelt es sich um eine frühe Sorte. . Unser eigener Apfelbaum (Foto oben) blüht erst seit dem 16. April. Für den Obstanbau aber auch für den heimischen Garten kann die frühe Blüte ein Problem darstellen. Wir haben zwar immer frühere Blütezeiten (bei 4/5 der beobachteten Pflanzen), aber bis zu den Eisheiligen Mitte Mai ist immer noch mit Frost zu rechnen, so dass die Blüte erfrieren kann und/oder gar keine Bestäuber fliegen.

Weitere Pflanzen des Vollfrühlings: Blattaustrieb bei Stieleiche (Quercus robur), Hainbuche (Carpinus betulus) schon erfolgt; Flieder (Syringa vulgaris) und Rosskastanie (Aesculus hippocastanum) demnächst.

Der Deutsche Wetterdienst meldete die erste Apfelblüte im Breisgau bereits am 22. März. Als ich den Artikel schrieb (16. 4.) war im Norden noch gar nichts los. Während die Apfelblüte in der Periode von 1961-1990 noch durchschnittlich am 6. Mai begann, verschob sich der Blühbeginn in der Periode 1981-2010 bereits auf den 30. April. Im Jahr 2014 begann die Apfelblüte bereits sehr früh schon am 9. April (alles Durchschnittswerte).

Der obige Screenshot zeigt im Jahre 1950 den Blühbeginn für den 20. Mai an. Genauso spät begann die Blüte 1970 und 1979. Aber auch vor 60 Jahren konnte sie schon erheblich früher erfolgen, z.B. 1959 und 61 bereits am 108. Tag des Jahres, also am 18. April. In der Grafik ist eine langsame Verfrühung der Blüte erkennbar. Für andere Regionen Deutschlands kann die Tabelle anders aussehen. Hier spielt oft auch das Kleinklima eine Rolle.

30. März 2023 – Es ist soweit: Aus Denzlingen bei Freiburg wurde die erste bestätigte Apfelblüte gemeldet. Damit hat wenig überraschend auch dieses Jahr der südliche Oberrhein die Nase vorn. Wie weit die Blüte bis Ostern nach Norden vorankommt, bleibt abzuwarten. Allzu warm soll es in der Karwoche nicht werden.

Das Bild der Apfelblüten-Aktion stammt aus Baden-Württemberg. Ich erinnere mich an einen Urlaub auf der schwäbischen Alb Mitte Juni 1990. Alle Apfelbäume standen in Blüte. 1967 lebte ich in Schleswig Holstein. Pfingsten fand am 14. und 15. Mai statt. Als Dekoration zum Spargelessen (2020 unser Ostermenü) hatten wir die Tischdecken mit Apfelblüten belegt. Da sieht man, wie wichtig es ist, die eigene Region auch klimatisch zu kennen – für den Garten, die Landwirtschaft, die Heizperiode.

Quellen: Deutscher Wetterdienst https://www.dwd.de/DE/fachnutzer/freizeitgaertner/2_pflanzenentwicklung/_node.html
https://www.swr.de/wissen/apfelbluete/article-swr-20180.html
https://www.meteoschweiz.admin.ch/home/klima/klimawandel-schweiz/vegetationsentwicklung/fruehlingsindex.html

Foto Winfried Senger und Screenshot aus dem Phänologie-Journal des Deutschen Wetterdienstes

2020 Blühbeginn 16. April
2023